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2010/08/19

Dürbheimer Energiepark wächst und gedeiht

Heuberger Bote/Spaichingen vom 13.08.2010 - Autorin & Foto: Regina Braungart

„Hier wird Technik von morgen entwickelt“

Geschäftsführer Helmut Specker
mit seinem Sohn Nico






(DÜRBHEIM/REGION/sz) Während in Spaichingen am 30. August die Gelder für Probebohrungen auf der Erddeponie frei gegeben werden sollen, ist die Groß-Solaranlage in Dürbheim schon zu über der Hälfte am Netz. Finanziers sind Unternehmer aus dem Kreis Tuttlingen, die dabei sein wollen, wenn die Weichen für die Zukunft gestellt werden.

Die Ständer sind längst alle bereit. Zur Straße hin sind noch einige frei, Richtung Wald aber bereits über die Hälfte mit Modulen bestückt. Drei Megawatt Stromerzeugung bereits am Netz. Nächste Woche kommen nochmals 1,1 Megawatt hinzu. Noch ein Megawatt an Modulen fehlt. „Es hat sich ausgezahlt, Nerven zu bewahren“, sagt Helmut Specker und zeigt auf die bereits hochaktive, Strom produzierende Fläche aus Glas. Denn weil die Gesetzeslage verändert und eingespeister Solarstrom bald noch geringer vergütet wird, gibt es einen solchen Ansturm auf die Fotovoltaikmodule, dass inzwischen fast jeder Preis gezahlt werde.

Specker bestand aber gegenüber seinen chinesischen Lieferanten auf Vertragstreue. Das sei zäh, aber letztlich habe sich diese Strategie gelohnt. Zumal man auf die ertragsreicheren, umweltfreundlicheren Module aus Silizium, also Sand, Stahl und Aluminium setze.

Kaum vorstellbar, dass hier vor wenigen Jahrzehnten todbringende Atomraketen stationiert waren. Nach einer Zwischenphase, in der ein FKK-Club das ehemalige Militärgelände samt Panzerhallen und Bunker in beschlag genommen hatte, hat die Gemeinde Dürbheim den Flecken gekauft und an die neu gegründete EnergiePark Dürbheim GmbH verpachtet. Hinter dieser steckt allerdings die seit rund 20 Jahren existierende Firma BES, die im Gebäude der SM-Stahl in Dürbheim angesiedelt ist. Die Firma für Elektronanlagen, Verfahrenstechnik, Forschung und Entwicklung scheint getrieben von einem ganz einfachen, aber bestechenden Prinzip: Etwas muss funktionieren und darf nicht schaden. Ob die Lösungen nun konventionell sind oder nicht, das „juckt“ den Geschäftsführer Helmut Specker samt rechter Hand Reiner Ackermann und die übrigen rund 50 Mitarbeiter in Dürbheim, darunter Ingenieure, Techniker, Chemiker und andere, erst mal nicht.


Genau diese Philosophie scheint BES als Generalunternehmer und Betreiber auch beim Bau der Anlage auf dem Hohrain getrieben zu haben. Erst wurde alles geglättet und dann je nach Untergrund, die Modultische à sechs Meter Länge in mit von Alb-Schotter gefüllten Riesenkübel verankert. Wenn die Module auf der vorhandenen geteerten Fläche stehen sollten, stellte man sie auf Randsteine. Die Erdverankerungen wählte BES bei den höheren Tischen am Rand der Anlage. Versuche bei 165 Stundenkilometern Windgeschwindigkeit für 20 Dauerminuten (Sturm Lothar hatte bei Spitzenböen 151) hätten die Standfestigkeit bewiesen. Die Befestigungskübel aus Recycling-Kunststoff hätten im Dauertest schon elf Jahre hinter sich. Und wenn mal einer kaputt geht, dann tauscht man ihn einfach aus. Ein Bankvertreter habe ihm mal gesagt, dass er so etwas einfaches, pfiffiges noch nie gesehen habe, berichtet Specker.

Die Anlage auf den Hohrain kostet über zwölf Millionen Euro, die Eigenmittel kommen von Unternehmern aus dem Kreis Tuttlingen aus verschiedenen – auch dem automotiven – Bereichen und die Kredite von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Was sich die Tuttlingen Unternehmer außer Rendite erhoffen? „Es hat noch nie geschadet vorne dabei zu sein,“ lacht Specker, der aus Mahstetten stammt, und wird ernst: „Hier wird die Technik von Morgen entwickelt“.

In der Panzerhalle wird klar, was er meint: Hier wird das „Bürohaus“ für das Fraunhoferinstitut gebaut. Hier werden vor allem Techniken erprobt, die Energieausbeute durch Wechselrichterexperimente zu erhöhen und Speicher auszuprobieren: Nirgendwo sonst könne man im Feldversuch unter exakt gleichen Bedingungen zwei verschiedenen Techniken in dieser Dimension zeitgleich miteinander vergleichen.

Doch forscht auch BES selbst für das Bundesforschungsministerium, demnächst auch auf dem Hohrain. Der Auftrag steht im Zusammenhang mit dem Forschungssatellit Galileo. Es geht dabei um intelligente Netzwerke, also die Harmonisierung von Stromerzeugung und Konsum, sowie die Schaltung von Netzwerken zur Effizienzsteigerung. Zum Beispiel wird in Dürbheim das Umschalten von Modulen im Falle von partieller Dunkelheit, etwa durch eine Wolke, via Satellit erprobt.

Die ganzen Militärgebäude bleiben erhalten, sie beinhalten jede Menge Schaltschränke, Wechselrichter zur Umwandlung des solaren Gleichstroms in netztauglichen Wechselstrom und anderes. Eine solche Anlage zu bauen brauche mindestens sechs Wochen harter Vorarbeit, vor allem auch in der Verhandlung von Verträgen und mit Behörden, berichtet Reiner Ackermann von BES.

Im hinteren Bereich der Anlage ist an Kübeln schon zu sehen, was Besucher zwei, drei Jahren erwartet: Die Natur wird sich den heimischen Schotter wieder als Magerrasengrundlage zurückgeholt haben. Keinen Rasen aussäen, sondern die Natur machen lassen sei das Richtige, habe die Naturschutzbehörde geraten. So könnten seltene Vogelarten, Insekten und andere Nahrung finden und Amphibien und Schlangen sich ansiedeln.

Was bei all dem Gestänge kaum vorstellbar ist: In wenigen Jahren wird der Hohrain wieder zum Biotop geworden sein.

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